1965. Das Jahr, indem der erste Mensch ein Raumschiff im Weltraum verlässt und das Jahr, indem Valravn Vargström das Licht der Welt erblickte, nicht als einziges Baby auf der Welt, doch für seine Eltern das ganz eigene kleine Wunder. In Kiruna, Lappland, geboren und aufgewachsen, bot die kleine Gemeinschaft am nördlichsten bewohnten Punkt von Schweden, nicht sonderlich viel Aufregung für Kinder. Trotzdem, es gab gewiss weniger friedliche Orte, um aufzuwachsen und Bildung erhielt er, trotz der bescheidenden Verhältnisse, mehr als genug. Von seinen Reisen brachte dessen Vater stets neue Bücher mit, welche sein Sohn förmlich zu verschlingen schien und damit den eigenen Horizont ungemein erweiterte. Aufgrund seiner Faszination für die heimische, als auch exotische, Fauna, war es wenig überraschend für seine Eltern, dass dieser Veterinärmedizin studieren wollte. Die ganze Familie zog an einem Strang, um das Studium später für ihren Sohn auch stemmen zu können, dieser trug selbstverständlich auch dazu bei, in Form von kleinen Aushilfsjob für die Nachbarn oder im Laden um die Ecke. Als der große Tag schließlich kam und er den Schulabschluss bravourös gemeistert hatte, hieß es schon bald Koffer packen, denn studieren konnte und würde er nicht hier in Kiruna. Es hieß also Abschied nehmen, und raus in die große Welt ziehen, in Stockholm kam er bei einem alten Freund der Familie unter, durfte dessen kleine Ferienwohnung beziehen und sich gänzlich dem Studium widmen. Wie besessen lernte der inzwischen 18-Jährige und war so fokussiert darauf, dass er soziale Kontakte, als auch Interaktionen an der Uni gänzlich zu ignorieren schien. Einmal die Nase ins Buch gesteckt, blendete er alles Störende aus, einschließlich Menschen. Während des Studiums verstarben seine Eltern bei einem Autounfall, als sie den weiten Weg auf sich nahmen, um ihren Sohn zu besuchen, da er mal wieder nicht vorbeigekommen war in den Semesterferien. Vergil kniete sich nach dem Tod seiner Eltern nur noch exzessiver in das Studium hinein und belegte zusätzliche Kurse, bis er wenige Monate später endlich, den lang ersehnten, Doktortitel erhielt. Der erste Schritt zur eigenen Praxis war somit getan.
Valravn arbeitete im Laufe der Zeit in kleinen, als auch großen, Praxen und verbrachte zwischenzeitlich auch viele Monate im Ausland, da er in Sachen Tierschutz von klein auf sehr engagiert war. Er nahm an Weiterbildungen und Seminaren teil, sowie Praktika um auch Exoten helfen zu können. Während dieser Zeit lernte er auch seine Frau kennen, ebenfalls eine Aktivistin für den Tierschutz und Rechtsanwältin, welche vor allem kleineren Organisationen beratend zur Seite stand. Sie heirateten recht schnell und bekamen zwei Töchter, in den darauf folgenden Jahren erfüllte sich Valravn auch den Traum einer eigenen Praxis. Das Leben schien nahezu perfekt, doch wie so oft kann sich das Blatt schnell wenden und das Schicksal tritt dir mit Anlauf ins Gesicht. Da er schon früh mit dem Rauchen anfing, war die Diagnose Lungenkrebs für ihn nur bedingt ein Schock aber natürlich riss es ihm, als auch seiner Familie, den Boden unter den Füßen weg. Er musste seine Praxis schließen um sich gänzlich auf den Heilungsprozess konzentrieren zu können, so unterzog er sich missmutig, mehreren Operationen und anschließender Chemotherapie sowie Bestrahlung. Da der Krebs sich noch in einem relativ frühen Stadium befand, standen seine Überlebenschancen, in Anbetracht der Umstände, nicht ganz so schlecht aber die ganze Familie musste umdenken. Es fiel nicht nur eine beträchtliche Einnahmequelle aus, sondern auch eine Stütze innerhalb der Familie, denn von nun an musste seine Frau sämtliche Dinge regeln. Mit zwei Kindern, Haus und noch dazu einem kranken Ehemann, der an guten Tagen vielleicht mal kurz in den Garten raus konnte, ansonsten aber meist im Bett lag, sowie starke Medikamente zu sich nahm, war es eine gewaltige Herausforderung. Zudem mussten auch Vorkehrungen getroffen werden, für den Fall, das Valravn den Kampf gegen den Krebs verliert. Nicht gerade das schönste Thema beim Abendbrot aber auch solche Dinge mussten geklärt werden. Letztendlich gewann er den Kampf gegen die Krankheit, wenn gleich auch zu einem hohen Preis, denn die vergangenen Jahre waren zu belastend für seine Ehefrau gewesen. Sie reichte die Scheidung ein, nachdem sichergestellt war, das Valravn wieder auf eigenen Beinen stehen konnte. Um ehrlich zu sein war er nicht all zu traurig darüber, die Krankheit hatte beiden viel abverlangt und irgendwann schwand auch die Liebe. So ist das nun mal im Leben. Für ihn bedeutete dieser Schritt einen Neuanfang, denn Haus und Garten ließ er seiner Frau, sowie den Kindern. Sie sollten nicht aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen werden, daher packte er am Ende die Koffer und ging, zumindest wickelten er und seine Ex-Frau die Scheidung zivilisiert ab. Das Sorgerecht teilten sie sich und an den Wochenenden nahm er die Kinder, auch größere Urlaube waren in den kommenden Jahren, in gegenseitiger Absprache, umgesetzt worden. Das Verhältnis zwischen ihm und seiner Ex kühlt zwar ab, doch in Bezug auf ihre Kinder, gelang es ihnen meistens am selben Strang zu ziehen.
Zur Zeit des Ausbruchs, als die Toten anfingen zu wandeln, war Valravn mit seinen beiden Töchtern, die inzwischen anstrengende Teenager waren, auf Urlaub in Alaska. Dort hatte er sich, vier Jahre zuvor, den Traum einer kleinen Hütte und eines eigenen Schlittenhunde-Gespanns erfüllt, ebenso betrieb er eine kleine unscheinbare Praxis im Ort in der Nähe. Seine Töchter waren wenig begeistert darüber, ihre kostbaren Ferien, in der Pampa bei ihrem Vater zu verbringen, der über die Jahre immer mehr zum Einsiedler und Selbstversorger mutierte. Aufgrund der abgeschiedenen Lage, bekamen sie recht spät Wind davon, was sich in den Städten rund um den Globus plötzlich abspielte. Es hatte Vorteile so abgeschieden, fern der Zivilisation zu leben, doch umso unvorbereiteter waren sie als sie, ganz normal zum Einkaufen, in die nächst gelegene größere Ortschaft fuhren. Das Chaos welches sie da vorfanden, sowie die komischen Leute, die so langsam wankten und aussahen als wären sie aus einem Horrorfilm entsprungen, waren der reinste Schock. Erst recht als einer dieser 'Leute' seine jüngste Tochter zu beißen versuchte, sah Valravn sich gezwungen mit Gewalt diese zu beschützen. In seinem ganzen Leben hatte er Gewalt stets gemieden, sowie mit Worten versucht Konflikte zu lösen, nur redeten diese Leute nicht mehr, sondern röchelten bloß noch gierig vor sich hin. Es war pures Glück, dass sie an diesem Tag unbeschadet wieder aus der Stadt kamen. Natürlich traten sie die Flucht zur Hütte an, die lag weit genug weg und dorthin verirrte sich in der Regel niemand, außer die wenigen Freunde, welche Valravn in den letzten Jahren in der hiesigen Gemeinde gefunden hatte. Mit ausreichend Vorräten verblieben die Drei etliche Monate in der Blockhütte im Wald, die Mädchen sollten dort bleiben, wenn ihr Vater mit den Hunden loszog zur Jagd oder zum Fischen. Hin und wieder schlich er sich in die Ortschaft, plünderte Stück für Stück, beobachtete und lernte was möglich war über die Untoten, um zu überleben. Meist umging er sie oder lenkte sie ab, direkte Konfrontationen versuchte er zu vermeiden. Er stolperte sogar über einen Überlebenden, der jedoch nicht aus der Gegend stammte, ein völlig Fremder dem Valravn, gutherzig wie er war, Hilfe und Unterschlupf anbot. Von diesem erfuhr er das es überall so zu sein schien, das die Untoten nun die Oberhand hatten und die Überlebenden, täglich, darum kämpfen mussten nicht gefressen oder von Anderen erschossen zu werden. Eine Regierung gab es nicht mehr, das Militär hatte versagt und am Ende hieß es: Jeder ist sich selbst der Nächste. Diese Lektion musste Valravn auch früher lernen als ihm lieb war, nämlich als er auf der Jagd war und naiv genug, den Fremden in der Hütte zu belassen.
Er war nur zwei Tage fort und als er zurückkam offenbarte sich der wahre Alptraum, der neuen Welt, vor seinen Augen. Seine Hütte stand in Flammen, ob durch einen Unfall oder absichtlich gelegt spielte keine Rolle, denn viel schlimmer war das Röcheln seiner beiden Mädchen. Bis heute wird er diesen Anblick nicht vergessen, wie ihre toten, leblosen Augen ihn anstarrten, ihre blutigen knochigen Finger sich nach ihm ausstreckten. Ihre Kehlen waren aufgeschlitzt und Stichwunden waren erkennbar gewesen an ihren Körpern, genau wie die Untoten in der Stadt, wankten auch sie hungrig in seine Richtung, mit der Absicht ihm das Fleisch von den Knochen zu reißen. Er brachte es erst Stunden später übers Herz sie zu erlösen, ehe er sie beerdigte und mit dem Wenigen, was er noch am Leibe trug und auf dem Schlitten hatte, weiter zog. Ja, er ging wieder jagen, doch diesmal keinen Hirsch, keinen Eber oder einen Fisch im See. Valravn konnte Spuren lesen und dank seiner Hunde, verlor er die des Fremden nicht aus den Augen, er verfolgte ihn über Wochen bis er fündig wurde. Inzwischen hatte dieser sich, mit ein paar anderen, zu einer kleinen Gruppe zusammen gerottet, welche Valravn einige Tage lang aus sicherer Entfernung beobachtete. Er schmiedete Pläne und setzte sie eines Nachts um, bis zu diesem Zeitpunkt hatte er nie einen Menschen getötet, doch in jener Nacht waren es vier. Nicht nur psychisch hinterließ das Spuren, er verlor dank Einem von ihnen sein linkes Auge und zog sich mehrere Verletzungen zu. Er erholte sich und zog ziellos umher, im Laufe der kommenden Jahre dezimierte sich sein Rudel, sei es durch Alter, Verletzungen oder Untote. Am Ende blieb nur noch Valravn übrig, der rastlos umherstreifte bis er, inmitten des Waldes, ein junges Mädchen fand. Sie war verletzt und offenbar vom Pferd gestürzt, welches nicht unweit graste, natürlich konnte er nicht tatenlos rumstehen. Trotz kurzem zögern entschied er sich dazu ihr zu helfen, versorgte ihr verletztes Bein mit den wenigen Ressourcen, die er hatte und verfrachtete sie auf das Pferd, bevor er sich mit ihr auf den Weg machte. Sie gehörte zu einer kleinen Gruppe, die recht abgeschiedenen, auf einer kleinen Farm, einen sicheren Ort gefunden hatten zum Leben. Inmitten der Nacht erreichten sie ihre Gruppe, zum Dank bekam er frische Kleidung, konnte sich waschen und seit langem wieder in einem Bett schlafen. Man stellte ihm sogar in Aussicht zu bleiben, doch Valravn lehnte ab und nahm nur widerwillig die Vorräte an, welche ihm die netten Leute mit auf den Weg gaben. Was er jedoch nicht ablehnen konnte oder gar wollte, war ein schwarzer Hengst, der ihnen wohl etwas zu wild war und Valravn käme so viel schneller voran, obgleich er kein Ziel vor dem Auge hatte. Vor gut mehr als einem Jahr brach er von der Farm auf und ist seitdem mit seinem Pferd unterwegs.