Zwei Minuten. So viel Zeit war vergangen, bevor ich nach meiner Zwillingsschwester das so hochgepriesene Licht der Welt erblickte. Wir erfüllten vom ersten Tag an jedes klassische Klischee von Zwillingen. Wir fühlten den Schmerz der anderen oder hatten die gleichen Gedanken. Früh wurde allen um uns herum klar, dass die eine nicht ohne die andere leben kann. Selbst unsere älteren Brüder kamen an diese Verbindung nicht ran. Eine schöne Kindheit, kann ich trotzdem nicht in meinen Lebenslauf schreiben. Aber auch nur, wenn ich diese mit denen meiner Klassenkameraden vergleiche. Meine Schwester und ich bekamen schon früh mit, dass unsere Eltern keinen normalen Jobs hatten, welche man beim Job der Eltern Tag in der Schule vorstellen konnte. Sie erschienen dazu sowieso nie. Dazu kamen die oft komischen Leute, die bei uns zu Besuch waren. Ich erinnere mich noch sehr gut an den Geruch ihrer strengen After Shaves und den beißenden nach zu vielen Zigaretten. Noch bevor meine Schwester und ich mit dem Kindergarten fertig waren, bekamen wir die Gründe offengelegt. Wir müssten nun auch in die Stadt gehen und andere Menschen bestehlen. Natürlich wussten wir von anderen, dass es ein Verbrechen war, dies zu tun. Aber unsere Brüder taten es und unsere Eltern schickten uns los es zu tun. Konnte ja dann nicht schlecht sein und mit diesem Gedanken, wuchsen wir auf.
Wie unsere Brüder vor uns, kannten wir also das Innere von Kaufhäusern besser als Spielplätze. Wir lernten von unseren Brüdern, wie man am besten die Leute um ihr Hab und Gut brachte oder auch aus den Läden was mitgehen lassen konnte. Doch für uns, blieb nie ein Stück vom Kuchen übrig. Ohne Umwege, musste immer alles bei unseren Eltern abgegeben werden. Es wäre gelogen wenn ich sagen würde, dass ich nicht manchmal voller Neid die anderen Kinder beobachtet habe, wie sie mit ihren Eltern ganz normal ein Eis essen gingen oder shoppen. Wie meine Klassenkameradinnen von ihren Reitstunden erzählten. Einmal, nahm mich eine von diesen mit und ich durfte auf einem Pferd sitzen. Ein wunderschönes Gefühl. Aber auf die Idee meine Eltern zu fragen, ob ich auch Reitstunden nehmen darf, kam ich nicht. Ich kannte die Antwort und wollte mir eine Enttäuschung ersparen. Dies war in etwa um die Zeit, in welcher meine Mutter ins Gefängnis kam, weil sie erneut beim Klauen erwischt wurde. Von den Drogengeschäften unserer Eltern, sollten wir eigentlich nichts erfahren, aber nun mussten wir auch bei diesen helfen. Es traf wie immer zuerst unsere Brüder, doch auch wir mussten bald Drogen übergeben und auch in der Schule bei unsere Klassenkameraden in Umlauf bringen. Für uns blieb das alles vollkommen normal und wir hinterfragten nichts. Sergio, unser ältester Bruder, blieb dabei immer unser Beschützer, als wir schließlich auch anfingen, unsere Klassenkameraden zu beklauen und der Verdacht auf uns gelenkt wurde. Zurecht. Ich war und bin bis heute auch dankbar, dass er sich so schützend vor uns alle stellt. Meine Schwester und ich mussten jedoch auch lernen, wie man sich verteidigt und so schaute vor alle ich viel bei Sergio ab. Körperlich konnte uns dann schließlich nur jemand wirklich was antun, der uns wirklich in Körpermaße weit überlegen war. Dies kam selten vor, kamen aber auch wir auf der Straße mal an die falschen. War Sergio dann nicht in der Nähe, kassierten auch wir.
Die Zeit auf der Straße und die in welcher unsere Mutter im Gefängnis war, schweißte uns Geschwister noch enger zusammen. Sicher, wir brachten uns auch gegenseitig zur Weißglut und vor allem mit Sergio, machten wir uns öfter einen Spaß. Immerhin gleichen wir uns ja wie ein Ei dem anderen und dies, nutzen wir nicht nur in der Schule bei Klassenarbeiten aus. Die mexikanischen Schimpfolympiaden unseres ältesten Bruder, konnten wir irgendwann dann auch mit einem Lachen entgegennehmen und nahmen ihn nur ernst, wenn die Situation es wirklich erforderte. Trotzdem schienen wir das Wort Foppen erfunden zu haben, wenn es um Sergio ging. Bruder Nummer zwei blieb nur verschont, da er wohl nicht das Temperament von Sergio teilte. Ich hatte damals noch keine Ahnung, wie sehr die kommende Zeit nochmal alles verändern sollte, wir unseren Prinzipien aber auch noch dann treu bleiben würden, kaum das mein Zwilling und ich unseren vierzehnten Geburtstag gefeiert hatten. Wir hatten nie viel aber ab diesem Tag, an welchem die Untoten anfingen die Lebenden zu Essen, sollten wir nur noch die Familie haben.
Ich weiß noch wie heute, wie mein Vater als einziger fokussiert blieb und einige Sachen neben uns allen in den Wagen brachte. Weit kamen wir aber nicht, da alle die Stadt verlassen wollten und mussten den Wagen zurücklassen. Ab diesem Tag waren wir Nomaden. Gerade in den ersten Wochen, war es für mich nicht leicht, die neue Welt zu akzeptieren und in ihr zurechtzufinden. Meine Familie hielt dabei an den Traditionen der alten Welt fest und so wurden wir auch in dieser zu Dieben. Schnell kam der Plan auf, dass wir uns in kleine Nomadengruppen einschleichen, um diese dann bei Nacht und Nebel auszurauben und zu verschwinden. Wir kannten es nicht anders, hatten es von klein auf gelernt und in dieser Welt gab es doch eh keine Regeln. Kurz und knapp, wir hatten kein Gewissen, als wir den Leuten das Wenige nahmen, was sie besaßen. Außerdem, wer konnte uns daran hindern? Es gab keine Gesetzte mehr und dies war vielleicht auch einer der Gründe, weswegen schließlich das wohl Schlimmste passierte. Wie konnten wir auch so lange so naiv sein und denken, dass unser Handeln nicht irgendwann als Karma zu uns zurückkommen würde? Es traf uns eiskalt und ohne Vorwarnung. Irgendwann im Jahr 2021, hatten wir uns eine Gruppe ausgesucht, welche unser Schicksal besiegeln sollte. Sie war zu groß, zu mächtig und so mussten wir wie gelähmt zusehen, wie unsere Eltern erwischt und grausam hingerichtet wurden. Ihre Schreie, werde ich nie wieder vergessen. Der erste Instinkt war, zu ihnen zu gehen und zu helfen. Sergio stürmte aber zu uns und hielt nicht nur meine Zwillingsschwester und mich, sondern auch unseren anderen Bruder davon ab. Ich hätte sowieso nicht rennen können. Meine ganzer Körper war wie gelähmt. Erst als Sergio uns zur Eile antrieb, da die Gruppe anfing die Umgebung abzusuchen, rannten wir. Ich erinnere mich noch gut, wie wir noch rannten, als die Sonne langsam ein aufging und wir hörten erst auf, als es ganz hell war. Dieser Tag, änderte uns alle, vor allem aber Sergio. Er wurde kälter und brach schließlich die oberste Regel von unserem Vater. Kein menschliches Blut sollte fließen. Er wollte uns nur beschützen, als wir nach der ersten Trauer versuchten weiterzumachen. Keiner von uns musste es sagen, ab er wir schworen auf Rache an den Menschen, die uns unsere Eltern genommen hatten. Keiner sprach auch aus, dass Sergio über Nacht den Platz unseres Vaters einnahm. War er davor schon der große Beschützer gewesen, so erreichte dies durch den Tod unserer Eltern ein neues Level. Nicht immer, konnte ich das verstehen, aber sobald der Gedanke kam, dass ich es nicht verkraften könnte, einen meiner Geschwister zu verlieren, stellte ich es nicht mehr in Frage. Er tat es für uns.
Meine Zwillingsschwester und ich, konnten ihn aber in gewissen Situationen weiterhin nicht ernst nehmen. Dies waren einfach wir und das würde sich nicht ändern. Wir blieben Fremden offen, die wir ohne unseren Bruder trafen und wenn wir nur ein kleines Gespräch mit diesen führten. Unser Bauchgefühl zeigte uns da auch, wem wir vertrauen konnten. Diebe blieben wir weiterhin. Der Tod unserer Eltern hatte eben nicht alles verändert. Wir wurden zwar vorsichtiger, blieben unserer Linie des Stehlens aber treu. Selbst, als wir schließlich das Leben als Nomaden Aufgaben und in eine Kolonie zogen. Dies passierte, als mein Zwilling und ich Anfang 2023 auf eine Fremde trafen. Sie stellte sich als Cat vor und wir schienen gegenseitig zu merken, dass keine Gefahr von den anderen ausging. Sie erzählte uns nicht nur von der Kolonie mit dem Namen Heavens Paradise, sondern überzeugte schließlich auch unseren großen Bruder von dieser. Sergio war im ersten Augenblick nicht ganz begeistert davon gewesen und trotzdem, schlossen wir uns Cat und nach dem ersten Eindruck auch dem Paradise an. Zu Cat, entwickelten wir Zwillingen im Laufe der Zeit eine enge Freundschaft und auch mein Bruder, schien sie sehr zu mögen. Er kann sich dabei sicher sein, dass ich ihm noch ordentlich auf den Zahn fühlen werde, was Cat betrifft. Die Vargas Geschwister, schienen ihren Platz gefunden zu haben und wir konnten auch im Paradise dem Stehlen treu bleiben, wenn auch für die gesamte Kolonie.